BioNTech Aktienanalyse: Wachstumswert mit Vierer-KGV

20.09.2022 | Frank Seehawer

BioNTech Aktienanalyse

Die Corona-Pandemie ist noch lange nicht vorbei. Das kann man vor allem an den immer wieder aufkeimenden Infektionszahlen erkennen.

Einer der Hauptprofiteure der Pandemie ist das Mainzer Biotechnologieunternehmen BioNTech (BioNTech Aktie: US09075V1026). Es entwickelte als erstes Unternehmen einen hocheffektiven Covid-19-Impfstoff und brachte ihn zusammen mit Pfizer an den Markt. Mehr als 3,6 Milliarden Impfdosen wurden von dem Duo seit Dezember 2020 verkauft – ein Rekord.

Kein Wunder, weshalb die BioNTech Aktie mit einem außergewöhnlich hohen Wachstum und Profitabilität in der HGI-Strategie überzeugt.

Besonders die niedrige Bewertung mit einem erwarteten Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund vier könnte auf ein Schnäppchen hindeuten. Vor allem deshalb, weil die Nachfrage nach dem Corona-Impfstoff hoch ist und weitere innovative Kandidaten in der Pipeline sind. Warum die Aktie so günstig bewertet ist und ob sie ein Kauf sein könnte, das soll die nachfolgende BioNTech Aktienanalyse herausarbeiten.

BioNTech Aktienchart

Quelle: BioNTech Aktienchart

Das Wichtigste in Kürze
  • BioNTech ist der Marktführer im Bereich von Covid-19 Impfungen
  • Trotz starker Marktstellung werden starke Umsatzrückgänge erwartet
  • Die Bewertung der Aktie preist den Umsatzschwund ein sowie weitere Risiken
  • Zusätzliches Potenzial könnte durch die Marktreife von Immuntherapien und weiteren Impfstoffen entstehen

Unternehmensprofil – dominierender Hersteller von Covid-19 Impfstoffen

Das Mainzer Unternehmen BioNTech wurde im Jahr 2008 als Forschungsausgründung der Universität Mainz von Uğur Şahin, Özlem Türeci und Christoph Huber gegründet.

Das Unternehmen sah seine Schwerpunkte in der Entwicklung und Herstellung von Technologien und Medikamenten für die Krebsimmuntherapie auf individualisierter Basis.

Das Unternehmen greift dabei auf die Kerntechnologie mRNA zurück. Die Abkürzung steht für messenger-RNA, eine Boten-Ribonukleinsäure, die Informationen über die Zusammensetzung eines Proteins in einer Zelle überträgt.

Spätestens seit der Corona-Pandemie ist diese Technologie auch Fachfremden geläufig, denn die mRNA-Technologie steht für eine schnelle und vor allem effektive Impfstoffentwicklung gegen das Coronavirus.

BioNTech mit exklusiven Technologie Know-How

Kein Unternehmen verstand es besser, die mRNA-Technologie für den Covid-19 Impfstoff einzusetzen als BioNTech. Früh erkannte das Forschungsteam von BioNTech zudem das Ausmaß, welches das im Jahr 2019 entdeckte und hochansteckende Virus annehmen könnte.

Entsprechend richteten sie ihre Forschungsaktivitäten auf die Entwicklung des mittlerweile legendären Comirnaty-Impfstoffs aus. Zusammen mit dem Partner Pfizer, der seine Betriebsstätten und sein Know-How für die Zulassung, Produktion und Distribution einsetzte, gelang in nur neun Monaten ein für die Pharmabranche einmaliger Coup.

Comirnaty war nicht nur der erste zugelassene Impfstoff gegen das Coronavirus, er überzeugte auch durch seine hohe Effektivität. Weit über 90 Prozent der Geimpften steckten sich nicht mit dem Virus an oder hatten nur einen milden Verlauf zu beklagen.

Aufgrund des Early-Mover-Status sowie der schwächeren Effektivität von Impfstoffen der Wettbewerber wurde Comirnaty zu einem der am meisten verkauften Impfstoffe weltweit. Über 3,6 Milliarden Impfdosen wurden seit Dezember 2020 verkauft. Der weltweite Marktanteil belief sich zuletzt auf 63 Prozent.

Allein im Geschäftsjahr 2021 wurde ein Umsatz von fast 19 Milliarden Euro mit dem Verkauf von Covid-19 Impfstoffen erzielt. Das Betriebsergebnis erreichte einen Wert von über 15 Milliarden Euro. Am Ende blieb ein Jahresüberschuss von 10,8 Milliarden Euro übrig.

Das starke Wachstum des Unternehmens sorgte auch auf volkswirtschaftlicher Ebene für einen positiven Effekt. So soll das Wachstum von BioNTech im Jahr 2021 für 0,5 Prozentpunkte des gesamten deutschen Wachstums von 2,7 Prozent stehen.

Pfizer profitiert im Windschatten

Auch der Partner Pfizer profitierte immens. Der seit Jahren schwächelnde Pharma-Gigant konnte durch die Kooperation ebenfalls neue Rekorde schreiben. So wurde der Umsatz auf fast 81,3 Milliarden US-Dollar nahezu verdoppelt – kein anderes Pharmaunternehmen verdiente jemals mehr. Allein dem COVID-Impfstoff von BioNTech war ein Umsatz von 36,8 Milliarden US-Dollar zuzuschreiben.

Die Erfolgsgeschichte von Comirnaty lenkt ein wenig von dem eigentlichen Kerngeschäft des Unternehmens ab: der Entwicklung von Immuntherapien auf Basis der mRNA-Technologie. Aber auch gegen andere schwere Krankheiten wie Malaria, Tollwut oder Tuberkulose bietet der mRNA-Baukasten Möglichkeiten.

Mittlerweile befinden sich in der BioNTech-Pipeline über 20 Kandidaten aus den Bereichen Immuntherapien der nächsten Generation und Impfstoffe. Sie könnten in den nächsten Jahren – bei erfolgreicher Zulassung – für zusätzliches Potenzial stehen.

BioNTech Homepage Vision und Mission

Quelle: BioNTech Homepage Vision und Mission

Dank der Einnahmen aus dem Verkauf des Blockbusters Comirnaty schwimmt BioNTech im Geld. Allein im letzten Quartal befanden sich über 20 Milliarden US-Dollar an Cash und Forderungen in der Bilanz. Langfristige Finanzverbindlichkeiten existieren fast keine.

BioNTech Bilanzdaten

Quelle: BioNTech Bilanzdaten

Die üppigen Finanzreserven sowie der aktuell stark sprudelnde Cashflow sollten die Forschungsaktivitäten des Unternehmens weiter anschieben. Wie groß das Potenzial der mRNA-Technologie sein könnte, bleibt abzuwarten. Experten sehen ein großes Potenzial.


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Die letzten Quartalszahlen von BioNTech

Die letzten Quartalszahlen fielen mit einem Umsatz von 3,4 Milliarden sowie einem Nettogewinn von 1,8 Milliarden US-Dollar stark aus. Der Vergleich mit den Vorjahreswerten von 6,4 Milliarden US-Dollar beim Umsatz sowie 3,4 Milliarden US-Dollar beim Ergebnis relativieren die Zahlen jedoch deutlich und lassen sie schwach erscheinen. Sie bedeuten am Ende einen Umsatz- und Ergebnisrückgang von 47 Prozent.

BioNTech Quartalsdaten

Quelle: BioNTech Quartalsdaten

Die Erklärung ist schnell gefunden: Im Vorjahresquartal wurden noch viele Erstimpfungen durchgeführt. Diese fielen im zweiten Quartal 2022 größtenteils weg. Dennoch bleibt das Orderbuch stramm gefüllt: So gibt es für das Geschäftsjahr 2022 Vorbestellungen von rund 2,5 Milliarden Impfdosen. Das große Geschäft könnte daher mit den anstehenden Wintermonaten, dem dritten und vierten Quartal, anstehen.

BioNTech Aktie Prognose 2022

Angesichts gut gefüllter Auftragsbücher ist das Management von BioNTech zuversichtlich, für das Gesamtjahr 2022 Umsätze aus dem Verkauf von Covid-19 Impfstoffen in einer Spanne zwischen 13 und 17 Milliarden Euro zu erreichen.

Im Vergleich zu dem gesamten Vorjahresumsatz von 18,9 Milliarden Euro dürfte dies einem mehr oder weniger großen Umsatzrückgang entsprechen. Damit zeigt sich, dass trotz hoher verkaufter Impfdosen der Konkurrenzdruck stärker zu werden scheint.

Ohnehin war Comirnaty in der Vergangenheit weder der günstigste noch teuerste Impfstoff. Laut Statista lag der Preis einer Impfdosis im Jahr 2020 noch bei 20 US-Dollar. Nach einem jüngeren Artikel aus der Wirtschaftswoche soll die EU nur 12 Euro an die Hersteller gezahlt haben.

BioNTech Q2-2022 Presentation

Quelle: BioNTech Q2-2022 Presentation

Gleichzeitig wird das Entwicklungsbudget hochgefahren. So erwartet man Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen zwischen 1,4 und 1,5 Milliarden Euro. Angesichts der hohen Gewinne und Cash-Reserven könnte sich BioNTech hier sogar noch mehr leisten.

Wichtige Kennzahlen aus der HGI-Analyse

Die BioNTech Aktie wird in der High-Growth-Investing-Analyse als potenzieller Kaufkandidat geführt.

BioNTech Aktie Scores im Vergleich

Quelle: BioNTech Aktie Scores im Vergleich

Der hohe HGI-Score von 18 Punkten ist beeindruckend. Er entspricht der maximal erreichbaren Punktzahl und wird nur von ganz wenigen Wachstumsunternehmen erreicht. Es gilt dabei jedoch zu bedenken, dass der HGI-Score nicht für die Bewertung von Biotechnologieunternehmen ausgelegt ist. Vielmehr dient er als Radarschirm und Bewertungsmaßstab für wachstumsstarke Technologie-Aktien.

BioNTech Aktie HGI-Score

Quelle: BioNTech Aktie HGI-Score

Beim genaueren Hinschauen gibt es einige Tücken: So sollte im Gesamtjahr 2022 ein mehr oder weniger großer Umsatzrückgang ausgewiesen werden. Werden in den nächsten Jahren keine weiteren Impfstoffe und Immuntherapien von BioNTech am Markt etabliert, die hohe Summen einspielen und die Umsätze auf eine breitere Basis stellen, so dürfte die BioNTech Aktie ihren Status als Wachstumswert schnell verlieren.

Bewertung der BioNTech Aktie

Die BioNTech Aktie ist für einen Wachstumswert mit einem Umsatzmultiplikator auf den Enterprise Value von eins geradezu lächerlich bewertet. Selbst Industrieunternehmen ohne Wachstum und mit einer geringen Profitabilität werden teilweise höher bepreist.

Gemessen an dem erwarteten Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund vier ist die BioNTech Aktie – gemessen an dem erwarteten Ertrag – extrem günstig bewertet. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis auf Basis der Gewinne der letzten zwölf Monate kommt sogar auf einen noch niedrigeren Wert von 2,7. Da die Gewinne voll auf den Free Cashflow durchschlagen, befindet sich das EV/FCF Ratio mit 2,6 auf einem ähnlich günstigen Niveau.

BioNTech Aktie Bewertungen

Quelle: BioNTech Aktie Bewertungen

In Summe ist die BioNTech Aktie damit extrem günstig, auch wenn sich die Marktkapitalisierung noch auf rund 35 Milliarden Euro beläuft. Die Bewertung preist somit viele Risiken ein. So wird bereits von einer deutlich gestiegenen Wettbewerbsintensität ausgegangen.

Trotz hoher Orderbücher bei den Covid-Impfdosen rechnet das Management mit mehr oder weniger starken Umsatzrückgängen, was auf einen erhöhten Magendruck hindeuten könnte.

Darüber hinaus nimmt die Aggressivität unter den Impfstoff-Herstellern zu. So klagt Moderna mittlerweile gegen BioNTech und Pfizer, die das neuartige mRNA-Verfahren von Moderna kopiert haben sollen.


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Fazit zur BioNTech Aktie

Investments in Biotechnologie-Unternehmen sind seit jeher als hochspekulativ anzusehen. So könnte man auch die Entwicklungen der mRNA-Therapien sehen, die eine der Kernkompetenzen von BioNTech darstellen.

Weniger eine Wette stellt der bisherige Impfstoff Comirnaty dar. Er wurde bereits mehr als 3,6 Milliarden Mal verkauft. Aufträge von 2,5 Milliarden Impfdosen stehen in den Orderbüchern für 2022. Auch konnte der weltweite Marktanteil zuletzt (Januar 2022) von 52 auf 63 Prozent ausgebaut werden.

Die Entwicklung zeigt, dass BioNTech ein exklusives Technologie-Know-how im Bereich von Covid-19 Impfstoffen auf mRNA-Basis besitzt.

Wie lange dieser Wettbewerbsvorteil anhält, das kann derzeit niemand vorhersagen. Fakt ist, dass viele alternative Wettbewerber an der Entwicklung eigener Impfstoffe arbeiten. Es könnte somit nur eine Frage der Zeit sein, bis diese an das Niveau von BioNTech herangekommen sind.

Ohnehin besitzen die Impfstoffe nur eine kurze Wirksamkeit. Ähnlich wie bei Grippeimpfstoffen müssen sie regelmäßig angepasst werden. Ökonomisch gesehen könnte dies ein Glücksfall sein, denn jährlich müssten Milliarden Menschen gepikst werden, um sich und ihre Mitmenschen zu schützen.

Die entscheidende Frage könnte dabei sein, ob BioNTech dann nur Cents oder wie bisher ganze Dollar pro Impfdosis verdient. Denkbar wäre auch, dass sich der Krankheitsverlauf bei einer Corona-Infektion in der Zukunft durch weitere Virus-Mutationen abmildert und keine Impfung mehr notwendig ist.

Wie auch immer sich der Covid-19-Impfstoff-Markt entwickelt: Die Preise, die man derzeit für eine BioNTech Aktie bezahlt, sind gemessen an den derzeitigen finanziellen Erfolgen nicht hoch.

Trotz allem ist das aktuelle Preisschild von umgerechnet rund 26 Milliarden Euro für das ganze Unternehmen abzüglich Cash noch eine stolze Summe für ein Unternehmen, dessen Impfstoffe nur eine kurze Haltbarkeit besitzen.

Investoren antizipieren beim aktuellen Marktwert einen starken Verfall der Covid-19 Impfstoffumsätze und -gewinne. Gleichzeitig bemessen sie der bisherigen Pipeline nur wenig Potenzial zu. Ob diese Annahmen der Realität entsprechen, das muss jeder Investor selbst entscheiden.

Da die Aktie in den letzten Monaten einen Boden zwischen 120 und 180 US-Dollar gefunden hat, könnte sich ein Einstieg für mutige Anleger anbieten. Wer günstigere Kurse abwarten möchte, der kann sich in wenigen Schritten einen Kursalarm im aktien.guide stellen.

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Der Autor und/oder mit dem aktien.guide verbundene Personen oder Unternehmen besitzen oder können Anteile von BioNTech besitzen. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

Autor: Frank Seehawer

Frank Seehawer ist mehrere Jahre als Investor Relations Manager und Wertpapieranalyst tätig gewesen. Als graduierter Ökonom beschäftigt er sich schon seit über 20 Jahren mit den Aktienmärkten im In- und Ausland. Sein Fachwissen über Aktien teilt er als freier Autor unter anderem mit den Lesern der deutschen Ausgabe von Motley Fool.