Fiverr Aktienanalyse: Plattformunternehmen mit Kurspotential?

10.02.2022 | Lukas Langer

Fiverr Aktienanalyse

Ein Marktplatz aus Angebot und Nachfrage – mit diesem Geschäftsmodell ging das Unternehmen Fiverr International (ISIN: IL0011582033) aus Israel im Juni des Jahres 2019 an die Börse. Die Kursperformance kann sich seitdem durchaus sehen lassen. In weniger als 3 Jahren schaffte die Fiverr Aktie mehr als eine Kursverdopplung. Ging das Unternehmen zu einem Kurs von 21 US-Dollar an die Börse, liegt dieser heute bei knapp unter 70 US Dollar. Dies entspricht einer Marktkapitalisierung von knapp 2,6 Milliarden Dollar.

Die in absoluten Zahlen ausgedrückt niedrige Marktkapitalisierung ist auch Folge der erschreckenden Performance der letzten 12 Monate. Analog zu den anderen Technologieaktien ist auch die Fiverr Aktie stark gefallen – und zwar um mehr als 75 Prozent!Fiverr Aktienkurs

Quelle: aktien.guide

Doch ist die negative Kursentwicklung ein Ausdruck einer schlechten operativen Entwicklung? Die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Das Umsatzwachstum der letzten 12 Monate beläuft sich auf fast 70 Prozent. Das ist definitiv ein beeindruckendes Wachstum, wenngleich Fiverr derzeit noch unprofitabel wirtschaftet. Auch die letzten Quartalszahlen enttäuschten nicht.

Der Kurs stieg am Tag der Verkündung kurzfristig um fast 11 Prozent, nachdem die Umsatzerwartung der Analysten um 3,9 Prozent geschlagen werden konnte und sich das EBITDA mehr als verdoppelte (auf Sicht von 12 Monaten ist Fiverr noch unprofitabel). Dieser Anstieg wurde jedoch aufgrund des aktuell negativen Marktsentiments direkt wieder abverkauft.

Ist die Aktie mittlerweile in einem akzeptablen oder sogar günstigen Bewertungslevel angekommen? Läuft man als Anleger Gefahr, in ein fallendes Messer zu greifen? Wie steht es um die Aussichten von Fiverr Limited? Der Fiverr Aktienanalyse widmet sich einer kurzen Bewertung des Geschäftsmodells und der Aussichten des Wertpapiers.

Das Wichtigste in Kürze
  • Fiverr ist Marktführer im Bereich Vermittlung von Freelancer Services
  • Plattform Modell mit Bruttomargen über 80 Prozent
  • Seit Jahren unprofitabel und verbrennt noch Cash

Unternehmensprofil Fiverr

Fiverr ist ein Marktplatz, der Freelancer und Unternehmen bzw. andere Selbstständige miteinander verbindet und ihnen ermöglicht in ein Arbeitsverhältnis einzutreten. Man kann sich das wie folgt vorstellen: Als Einzelperson hat man eine Ausbildung oder ein besonderes Talent für Dienstleistungen. Diese können von kreativen Arbeiten wie der Erfindung oder dem Design von Firmenlogos bis hin zu Arbeiten mit hohem technischen Know-How wie dem Programmieren reichen. Anstatt sich in einem langwierigen Prozess beim Unternehmen direkt zu bewerben, kann man die angebotene Dienstleistung auch über einen Marktplatz wie Fiverr anbieten.Funktionsweise Fiverr

Quelle: Investor Presentation Fiverr

Für die Unternehmen bietet Fiverr hingegen die Möglichkeit, transparent eine Vielzahl an Anbietern durchzusehen und das am besten passende Angebot für sich auszuwählen. Dabei hat das Unternehmen jederzeit Einsicht in die Kundenbewertungen für die einzelnen Freelancer, sofern dieser es erwünscht, und kann Arbeitsauszüge von früheren Tätigkeiten einsehen. Viele Freelancer haben Beispiele verlinkt, wie ihre Arbeit und die angebotenen Leistungen aussehen.

Die Entwicklung der Fiverr Platform

Fiverr hat sein Produktportfolio in den vergangenen Jahren kontinuierlich erweitert. Neu eingeführt hat Fiverr zudem im Jahr 2021 ein Abomodell, sodass ein Unternehmen, sofern der Freelancer dies möchte, diesen auch für mehrere Monate “beschäftigen” kann. Das folgende Bild zeigt einen kurzen Auszug der innerhalb der letzten zehn Jahre hinzugefügten Dienstleistungen:Geschichte Fiverr

Quelle: Investor Presentation Fiverr

Hervorzuheben sind hier die Handy-App, die bereits vor einigen Jahren eingeführt wurde, sowie Fiverr Pro und Fiverr Business. Der Unterschied bei Fiverr Pro liegt in besserem Kundenkontakt sowie einer Auswahl der besten Freelancer seitens Fiverr, um es Unternehmen zu ermöglichen, die qualitativ besten Dienstleister zu filtern. Fiverr Business bietet zusätzliche Dienstleistungen in der Interaktion und Zusammenarbeit von Unternehmen.

Zudem hat Fiverr im Laufe der Jahre diverse Weiterbildungsmöglichkeiten für die Freelancer integriert.

Wie verdient Fiverr Geld?

Fiverr verdient das Unternehmen sowohl durch eine Provision des Unternehmens als auch des Freelancers Geld. Von den Unternehmen verlangt Fiverr den geforderten Betrag des Freelancers zuzüglich einer Gebühr von 5,5 Prozent. Verlangt ein Freelancer für seine Dienstleistung 100 US-Dollar, muss das Unternehmen folglich 105,50 US-Dollar zahlen. Für Dienstleistungen unter 50 US-Dollar werden zusätzliche 2 US-Dollar an Gebühr an Fiverr fällig. Anschließend verwahrt Fiverr die Gebühr bis zwei Wochen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Sollte es bis dahin keine Beschwerden von Unternehmensseite geben, überweist Fiverr 80 Prozent des geforderten Betrags an den Freelancer. Aus einer Dienstleistung, den der Freelancer mit 100 US-Dollar bewertet, erwirtschaftet Fiverr folglich Gebühren von 25,50 US-Dollar.

Fiverr ist in einem Wachstumsmarkt tätig

Fiverr spielen derzeit zwei Trends in die Karten. Das Wachstum des Freelancer-Marktes sowie dessen Verlagerung in das Internet. Das heutige Einkommen der Freelancer in den USA beträgt laut Fiverr 815 Milliarden US-Dollar. Fiverr schätzt durch sein Gebührenmodell den TAM (Total Addressable Market) auf 115 Milliarden Dollar. Das ist die Größe des Markts in dem Fiverr Dienstleistungen potenziell genutzt werden können. Aktuell findet nur ein sehr geringer Prozentsatz der Vermittlung von Freelancern online statt, wie Fiverr aufzeigt:TAM Fiverr

Quelle: Investor Presentation Fiverr

Darüber hinaus wächst auch der Freelancer Markt generell. Während im Jahr 2017 noch knapp über 57 Millionen Amerikaner Freelancer waren, soll sich diese Zahl bis 2028 fast verdoppeln. Mehr als jeder zweite berufstätige Amerikaner soll dann ein Freelancer sein. Amerika war in einer Studie von CNBC im Jahr 2019 auch das am stärksten wachsende Land, gemessen am kumulierten Freelancer-Einkommen. Gefolgt von Großbritannien, Brasilien und Pakistan. In allen diesen Nationen wuchs das Einkommen um 47 Prozent oder mehr - in den USA sogar um 78 Prozent. Zudem kam das Wirtschaftsmagazin Forbes zu dem Schluss, dass Freelancer gesünder sind, mehr verdienen und nach eigener Aussage freier in ihrer Arbeit sind.

Wie ist Fiverr geführt?

Fiverr hat viel Gründererfahrung in seinem Vorstand. Der aktuelle CEO Micha Kaufman war einer der Gründer von Fiverr und führt das Unternehmen seitdem. Kaufman gründete bereits zuvor eine Reihe von Unternehmen. CFO Olaf Katz gründete bereits im Jahr 2001 Nextage Limited. Nextage Limited ist eine Firma für Finanzdiensleistungen, für die er von 2001 bis 2016 als CEO zuständig war und derzeit noch als Co-CEO tätig ist.

Durch die Finanzberatung von Nextage führte Katz bereits diverse Positionen für seine Kunden aus. Er war unter anderem Finanzchef der Unternehmen Wix.com und weiteren, von Facebook, Microsoft oder Qualcomm übernommenen Unternehmen. Dies hat zwei Implifkationen:

  1. Olaf Katz scheint es einerseits zu verstehen, Unternehmen fit für einen Verkauf zu machen. Hierauf deuten die vielen Transaktionen unter seiner Regie hin.
  2. Andererseits ist Katz laut Angaben von Fiverr noch immer als Co-CEO für Nextage tätig. Dass es zuweilen problematisch für die Leistung sein kann, im Vorstand von zwei Unternehmen vertreten zu sein, zeigten nicht erst die Kapriolen um Jack Dorsey bei Twitter und Square.

Die Unterschiede von Fiverr und Upwork

Fiverr und Upwork werden als Marktführer als Onlineplattformen im Bereich Freelancing gesehen. Dabei haben beide Plattformen ein leicht unterschiedlichen Fokus: Fiverr konzentriert sich mehr auf sogenannte Gigs, die Fiverr als einmalige Arbeiten und Dienstverhältnisse bezeichnet. Upwork fokussiert sich hingegen auf längerfristige Engagements. Dies birgt das Risiko, dass Freelancer und Unternehmen Wege finden, auch ohne Intermediär in Kontakt zu treten und das Gebührenmodell zu umgehen.

Zudem kann man bei Fiverr als Unternehmen Jobanzeigen aufgeben, worauf sich Freelancer bewerben können. Auf Upwork hingegen können Freelancer, im Gegensatz zu Fiverr, auch auf Stundenbasis vermittelt werden und nicht mit einem fixen Endhonorar.

Zudem bietet Fiverr eine deutlich objektivere Überprüfung seiner Pro-Mitglieder an. Außerdem wälzt Upwork die meisten Gebühren an die Freelancer ab, während, wie oben beschrieben, Fiverr sowohl Unternehmen als auch Freelancer zur Kasse bittet. So sind die Dienstleistungen für die Freelancer profitabler. Insgesamt wird das Preis-Leistungs-Verhältnis bei Fiverr als besser beurteilt.

Financials Fiverr Aktie

Die Quartalsumsätze im vierten Quartal 2021, lagen bei 79,8 Millionen Dollar. Das entspricht einem Wachstum von 43 Prozent. Dabei stiegen sowohl die aktiven Nutzer um 23 Prozent als auch die Ausgaben pro Nutzer. Diese stiegen von 205 US-Dollar auf 242 US-Dollar um 18 Prozent im Jahresvergleich. Fiverr profitierte also davon, dass sich sowohl mehr Unternehmen bei Fiverr betätigten, als auch, dass bestehende Kunden mehr Geld ausgaben.

Die GAAP Bruttomarge sank jedoch von 82,6 Prozent auf 80,9 Prozent im Jahresvergleich. Die adjustierte EBITDA-Marge stieg hingegen von 8,3 Prozent im Vorjahresquartal auf 11,1 Prozent im vierten Quartal 2021. Das zeigt, dass Vertriebs und Marketingkosten nicht so stark steigen wie der Umsatz und es dem Unternehmen mit weniger Werbung leichter fällt, Kunden zu akquirieren und diese zu halten.Ebitda Margen Fiverr

Quelle: Investor Presentation Fiverr

Im Gesamtjahr, das mit dem vierten Quartal abgeschlossen wurde, stieg der Umsatz um 57,7 Prozent. Im durch Corona geprägten Vorjahr 2020 wuchs der Umsatz noch um 77 Prozent, was allerdings auch bedingt durch die künstlich herbeigeführte Sonderkonjunktur war.

Der Ausblick für das erste Quartal 2022 beinhaltet weiteres Umsatzwachstum – dieses soll jedoch auf 24 Prozent-27 Prozent sinken, was nach den beiden Vorjahren jedoch nicht überraschend ist. Im Gesamtjahr 2022 wird ein Umsatzwachstum von 25 Prozent-27 Prozent erwartet.

Das EBITDA soll 27 bis 33 Millionen Dollar betragen, was einer EBITDA-Marge von 7,1 - 8,8 Prozent entspricht. Realisiert sich die Prognose, wäre das wiederum ein Rückgang der EBITDA-Marge. Über die Bruttomarge machte das Unternehmen keine Angaben. Investoren sollten die operativen Margen genau im Auge behalten.

Wichtige Kennzahlen der Fiverr Aktie

Wir möchten den Fokus dieser Analyse vor allem auf zwei Kennzahlen legen: Den Verschuldungsgrad und die Bruttomarge. Der Verschuldungsgrad liegt bei Fiverr über 1 – damit ist das Unternehmen überproportional durch Fremdkapital finanziert. Grundsätzlich muss dies in Zeiten steigender Zinsen kein großes Problem sein.

Allerdings zeigt sich mit Blick auf das Cash-Flow Statement, dass Fiverr einen Teil seines Cashbestands im Jahr 2021 verbrannte. Hatte das Unternehmen zum Ende des Geschäftsjahres 2020 noch 488 Millionen Cashbestand in der Bilanz, schrumpfte dieser Posten zum Ende 2021 auf 326 Millionen Dollar.Bilanz Fiverr

Quelle: aktien.guide

Im vergangenen Jahr hat Fiverr dies noch durch die Aufnahme von Wandelanleihen kompensiert. Investoren sollten diese Entwicklung genau im Blick behalten.

Weiterhin liegt die Bruttomarge von Fiverr aktuell über 80 Prozent. Auch wenn sie im letzten Quartal leicht zurückkam, ist 80 Prozent ein sehr guter Wert. Aktionäre sollten dennoch weiter beobachten, ob die Marge auf diesem Niveau verharrt oder wie zuletzt sinkt. Aktuell zeugt die hohe Marge jedoch von einem guten Geschäftsmodell, das sehr profitabel betrieben werden kann.

Bewertung der Fiverr Aktie

Die Bewertung von Fiverr ist in den vergangenen Monaten stark zurückgekommen. War das Unternehmen vor genau einem Jahr noch mit dem knapp 60(!)-fachen Umsatz bewertet, ist es aktuell nicht einmal der 10-fache. Fiverr ist damit aktuell so günstig wie seit Mai 2020 nicht mehr. Doch mittlerweile hat sich Fiverr als führendes Unternehmen im Bereich Freelancing entwickelt und weist nach wie vor zweistellige Zuwachsraten im Umsatz auf.

EV/Sales Fiverr

Quelle: aktien.guide

Allerdings ist zu sehen, dass Fiverr vor Ausbruch der Corona-Pandemie, kurz nach seinem Börsengang, mit dem gut 5-fachen des Umsatzes bewertet wurde – etwa halb so teuer wie aktuell.

Was die Bewertung des Unternehmens weiter erschwert, sind die fehlenden Gewinne. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie schwanken die Ergebnisse stark – mal ist das Ergebnis pro Aktie bei -0,01, wie im dritten Quartal 2020, und mal bei -0,39, wie im dritten Quartal 2021. Fiverr zeigt aktuell keinen klaren Weg in die Profitabilität auf – so ist keine Bewertung auf Basis der Gewinne möglich. Ein EV/Sales Verhältnis von knapp über 9 ist für ein Unternehmen, das die letzten Jahre konstant mit über 50 Prozent wuchs und eine Bruttomarge von 80 Prozent aufweist, grundsätzlich aber vertretbar.

Fazit

Fiverr ist eine führende Plattform in einem wachsenden Markt. Das Unternehmen ist gründergeführt und steigert seit Jahren seinen Umsatz prozentual zweistellig. Das große Problem des Unternehmens ist aktuell die fehlende Profitabilität. Fiverr muss beweisen, dass es nachhaltig profitabel operieren kann. Aktuell könnte sich die Fiverr Aktie jedoch für risikofreudige Anleger, die starke Kursschwankungen aushalten können, auf einem attraktiven Niveau befinden.


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Der Autor und/oder mit dem aktien.guide verbundene Personen oder Unternehmen besitzen oder können Anteile von Fiverr International Ltd. besitzen. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

Autor: Lukas Langer

Lukas Langer hat einen Masterabschluss im Wirtschaftsingenieurwesen. Er hat bereits während des Studiums praktische Erfahrung in einem DAX-Konzern und in der Unternehmensberatung gesammelt. Als begeisterter Privatanleger ist es sein Ziel, Anleger & Anlegerinnen dabei zu unterstützen, mit dem aktien.guide bessere Investmententscheidungen zu treffen.