​BMW im Wandel – ist die günstige Bewertung eine Chance oder Ausdruck des Risikos?

04.12.2019 | Frank Seehawer

BMW Aktie

Dass sich die Automobilbranche in einem grundlegenden Wandel befindet, ist bekannt. Nicht nur der Anspruch der Gesellschaft an eine weniger emissionsbelastende Fortbewegung machen den etablierten Automobilherstellern das Leben schwer, sondern auch die wirtschaftliche Abschwächung sowie die zunehmende Bedeutung der Software für das Automobil.

Es ist also kein Wunder, dass sich aktuell viele Aktien aus der Autoindustrie sowie der Zulieferindustrie mit einer günstigen Bewertung finden lassen. Eine dieser Aktien mit einer günstigen Bewertung sowie soliden fundamentalen Kennzahlen ist die BMW Aktie (ISIN: DE0005190003).

Die Aktie wird aktuell mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von neun gehandelt und ist mit sechs Punkten in der Levermann-Strategie als Kauf vorgeschlagen. Ob der Premium-Autobauer aus München wirklich eine so günstige Kaufgelegenheit ist oder die Bewertung nur ein Ausdruck des schwierigen Umfeldes, dem versuchen wir in der folgenden Analyse auf den Grund zu gehen.

Unternehmensprofil – Premium Automobile für den Weltmarkt

Die Ursprünge des Münchener Herstellers von Premium-Automobilen gehen bis ins Jahr 1916 zurück – dem Gründungsjahr der Bayerische Flugzeugwerke AG. Wie der ursprüngliche Unternehmensname schon verrät, konzentrierte sich das Kerngeschäft zum damaligen Zeitpunkt nicht auf die Herstellung von Premium-Automobilen, sondern auf die Herstellung von Motoren und Flugzeugen.

Im Laufe der Jahre spezialisierte man sich nach einer Unternehmenskrise in den 1960er Jahren auf hochpreisige und komfortabel ausgestattete sowie gut motorisierte Personenkraftwagen mit eleganten Design. Die Strategie, sich auf ein Premium-Segment des PKW-Marktes zu spezialisieren, ging voll auf.

Es folgten viele Jahre mit starkem Wachstum und immer neuen Rekorden. Mit einem Umsatz von 97,5 Milliarden Euro und rund 135.000 Beschäftigten im Geschäftsjahr 2018 gehört BMW heute – neben Daimler (Daimler Aktie) und Volkswagen (Volkswagen Aktie) – zu den weltweit größten deutschen Automobilherstellern. Insgesamt wurden in 2018 2,5 Millionen Fahrzeuge ausgeliefert – so viele wie nie zuvor in der Unternehmensgeschichte.

Der Marktanteil im Premiumsegment liegt bei 10 % im weltweiten Durchschnitt. In Deutschland und Großbritannien beträgt er sogar über 25 %.

Die Großaktionäre von BMW

Insgesamt existieren an den Börsen zwei handelbare Aktiengattungen (Stamm- und Vorzugsaktien), von denen sich die Stammaktien im deutschen Aktienindex DAX befinden.

Von den 658 Millionen ausstehenden Aktien sind 602 Millionen den Stämmen zuzurechnen. Die größten Anteilseigner der Stammaktien sind Susanne Klatten und Stefan Quandt, die Nachfahren der Familie Herbert Quandt – sie halten zusammen 46,8 %.

BMW kämpft mit dem Wandel seiner Automobil-Flotte

Die neuen Rekordmarken beim Automobilabsatz von BMW verschleiern jedoch einen wesentlichen Sachverhalt: Die Verbrenner-Flotte von BMW entspricht nicht mehr dem Stand der Zeit. Einerseits existiert ein Bewusstsein für mehr Nachhaltigkeit, weshalb Pioniere der Elektromobilität – allen voran Tesla (Tesla Aktie) – einen extremen Rückenwind verspüren. Andererseits entwickelt sich das Automobil der Zukunft zu einem fahrenden Computer.

Auch die Politik versucht mit Gesetzen die CO2-Emissionen der neu zugelassenen Autos im Durchschnitt bis zum Jahr 2021 auf maximal 95 Gramm je Kilometer zu begrenzen. Bis 2030 soll dieser Wert noch einmal drastisch reduziert werden.

Schaut man sich die Emissionswerte der BMW-Flotte aus dem Jahr 2018 an, die bei rund 128 Gramm lagen, so ist man von dem Zielwert noch weit entfernt. Die Ambitionen sind allerdings groß dies zu ändern.

Bereits seit 2013 wird mit dem BMW i3-Modell ein reines Elektroauto angeboten, im Jahr 2019 zog der Mini nach. Zahlreiche Hybride gibt es seit dem Jahr 2014. Für die Zukunft sollen weitere E-Modelle die durchschnittlichen Emissionswerte der BMW-Flotte senken. Zusätzliche Dynamik könnte hier mit der neu entwickelten Plattform iNext entstehen. Diese ist so konzipiert, dass Autos als reine E-Variante, Hybrid oder als Verbrenner angeboten werden können.

Die letzten Q3-Quartalszahlen des Autobauers BMW

Den letzten Quartalszahlen (Q3-2019) kann man noch nichts von den erwähnten Problemen entnehmen. Im dritten Quartal wurden die Auslieferungen der Automobile um 3,6 % gesteigert. Die Anzahl der ausgelieferten Motorräder erhöhte sich sogar um 9,9 %. Die Konzernumsatzerlöse konnten damit im dritten Quartal um 7,9 % auf 26,7 Milliarden Euro gesteigert werden.

Auch das Konzernergebnis vor Finanzergebnis (EBIT) machte mit 2,3 Milliarden Euro einen großen Sprung von 32,9 %. Die EBIT-Marge beläuft sich mit 8,6 % auf einem hohen Niveau.

Analyse der BMW Aktie - Ausblick auf das Jahr 2019

Der Ausblick auf das Gesamtjahr 2019 trägt dem aktuellen Umfeld der Automobilbranche Rechnung – welches durch Handelskriege, einer zunehmenden wirtschaftlichen Abschwächung sowie der steigenden Bedeutung der E-Mobilität gekennzeichnet ist.

Für das Geschäftsjahr 2019 erwartet BMW daher einen leichten Rückgang bei den Auslieferungen der Automobile. In dem kleineren Motorrad-Segment wird jedoch weiter mit einem soliden Anstieg gerechnet.

Die EBIT-Marge des Automobil-Segments soll sich zwischen 4,5 und 6,5 % belaufen und damit deutlich unter dem berichteten Vorjahreswert von 7,2 % liegen. Gründe für diesen deutlichen Rückgang sind in einer Rückstellung im Zusammenhang mit einem laufenden Kartellverfahren zu sehen. Ohne diese Rückstellung würde sich der Prognosewert zwischen 6 und 8 % belaufen. Die EBIT-Marge des Motorrad-Segments beläuft sich mit erwarteten 8 bis 10 % über dem vergleichbaren Vorjahreswert von 8,1 %.

Aufgrund der Größe des Automobil-Segments wird für den Gesamtkonzern mit einem deutlichen Rückgang des Ergebnisses vor Steuern gerechnet.

Aktienkursentwicklung von BMW

BMW Aktie Chart

Quelle: Wallstret-Online.de; Aktienkurs in EUR im Xetra-Handel am 03.12.2019

BMW Aktie Kennzahlen

In der Levermann-Analyse des aktien.guide erreicht die BMW-Aktie einen Score von insgesamt sechs Punkten. Positiv gestaltet sich der Wert der Eigenkapitalquote von 27,8 % sowie das Gewinnwachstum von 14,3 %.

Für die Bewertungen, gemessen am aktuellen sowie dem 5-Jahres KGV, erhielt die BMW-Aktie jeweils ein Punkt. Zusätzlich gab es Punkte für das steigende Kursmomentum sowie die zweistellige Kursentwicklung über die letzten sechs Monate.

Analyse der BMW Aktie - Fazit

Auch wenn sich die Neun-Monats-Zahlen noch auf einem Rekordniveau bewegen, so spürt man im Ausblick deutlich, dass sich der Automobilabsatz von BMW verringern wird. Hauptsächlich könnte dies den Entwicklungen des Handelsstreits zwischen den USA und China geschuldet sein.

Das Hauptthema für die Zukunft ist allerdings nicht die abschwächende Konjunktur. Automobilwerte sind von Natur aus zyklisch – das ist nichts Neues. Neu ist allerdings, dass sich die Gesellschaft ein emissionsfreies Automobil wünscht und diese Wünsche auch von der Politik in der Gesetzgebung unterstützt werden.

BMW profitierte in der Vergangenheit stark von seiner Ausrichtung als Premium-Automobilhersteller. Kennzeichen solcher Autos sind jedoch das Gewicht und PS-Stärke. Es ist schwer, diese beiden Kriterien mit einem geringen CO2-Ausstoß zu verbinden. Ein Unternehmen zeigt aber, wie es anders gehen kann: Tesla.

Auch Tesla verkauft in der Oberklasse sehr erfolgreich Autos – und das ohne CO2-Ausstoß! Bereits im Jahr 2017 verkaufte das Kalifornische Unternehmen mehr Luxusautos des Typs Model S in Europa als Daimler mit seiner S-Klasse und BMW mit dem 7er-Modell.

Allein dieser Sachverhalt verdeutlicht, dass BMW noch einiges Nachholen muss, um den neuen Wettbewerber im Kerngeschäft auf Distanz zu halten. Hier haben die Münchner aber noch genügend Vorsprung, denn Tesla verkaufte im Jahr 2018 gerade einmal knapp 250.000 Autos weltweit.

Die Entwicklungen in der E-Mobilität deuten darauf hin, dass BMW den Trend der E-Mobilität nicht dem Wettbewerb überlassen möchte. Bis zum Jahr 2021 möchte BMW die Stückzahl seiner im Jahr 2018 verkauften 142.600 elektrifizierten Autos verdoppeln. Bis zum Jahr 2025 erwartet das Management hier ein Wachstum von jährlich durchschnittlich 30 %.

Zusammengefasst könnte BMW eine interessante Aktie für Investoren sein, die sich langfristig an einem führenden etablierten Automobilhersteller beteiligen möchten. Ob der Zeitpunkt allerdings der Richtige ist, hängt im Wesentlichen von den persönlichen Ansichten zur Lage der Automobilkonjunktur ab.

Einen Überblick über die Levermann-Kennzahlen der anderen Autohersteller kannst du hier einsehen: Levermann Analyse der 92 Autohersteller.


Autor: Frank Seehawer

Frank Seehawer ist mehrere Jahre als Investor Relations Manager und Wertpapieranalyst tätig gewesen. Als graduierter Ökonom beschäftigt er sich schon seit über 20 Jahren mit den Aktienmärkten im In- und Ausland. Sein Fachwissen über Aktien teilt er als freier Autor unter anderem mit den Lesern der deutschen Ausgabe von Motley Fool.