Roche Aktienanalyse: Kränkelnder Pharma-Riese?

25.10.2023 | Lukas Langer

Roche Aktienanalyse

Warum ist der Zugang zur Gesundheitsversorgung  so wichtig? Mit genau diesen Worten beginnt das Unternehmen Roche seinen Geschäftsbericht 2022. Die Antwort liegt auf der Hand, und dennoch soll noch einmal verdeutlicht werden, wie unentbehrlich der Konzern für die Weltgesundheit sei.

Roche – ein Weltmarktführer in seinen Segmenten mit einer 125-jährigen Geschichte – ist hauptsächlich in zwei Bereichen aktiv: In der Pharmazie und im Bereich Diagnostika. Mit diesen beiden Sparten begleitet die Roche Aktie den Behandlungsprozess nahezu jeder großen Krankheit – von der Diagnose bis hin zu Behandlungsmöglichkeiten und den richtigen Medikamenten. Mit dieser Kombination ist Roche mittlerweile bei den weltweit größten Pharmazieunternehmen angekommen.

Umsatzvergleich großer Pharmaunternehmen

Quelle: Umsatzvergleich großer Pharmaunternehmen

Gemessen an den Umsätzen war die Roche Aktie lange Zeit das zweitgrößte Pharma-Unternehmen der Welt und wurde erst 2021 von Pfizer dank des Erfolgs ihres Corona-Impfstoffs (mit Biontech entwickelt) verdrängt. Nach wie vor handelt es sich jedoch um einen Weltmarktführer. Schaut man jedoch auf den Roche Aktienkurs der letzten 5 Jahre, ist dies so gar nicht zu erkennen:

Roche Aktienkurs

Quelle: Roche Aktienkurs

In den letzten 5 Jahren stieg das Roche Wertpapier um sage und schreibe 8% - eher eine Performance, die sich ein Aktionär jährlich erhofft.

Doch was sind die Gründe für die maue Aktienkursentwicklung und ist die Roche Aktie unterbewertet? Muss man sich um Roche Sorgen machen? Wie steht es um die zukünftige Entwicklung des Unternehmens?

Das Wichtigste in Kürze
  • Roche ist eines der größten Pharmazieunternehmen weltweit
  • Das Kerngeschäft des Unternehmens besteht aus der Medikamentenentwicklung und -vertrieb sowie der Diagnostik (bspw. Covid-19 Tests)
  • Roche hat aktuell 87 Medikamente in verschiedenen Stadien der Entwicklung, die das aktuell stagnierende Umsatzniveau in den kommenden Jahren antreiben können
  • Roche ist als verlässlicher Dividendenzahler bekannt und schüttet aktuell knapp 60% seiner Gewinne an Aktionäre aus

Roche – ein Diagnostik und Pharma-Riese

Das Unternehmen Roche wurde im Jahr 1896 in der Schweiz gegründet, um innovative Diagnostik und Behandlungsprodukte herzustellen. Seither hat sich Roche besonders im Bereich der Krebsbehandlung zu einem der führenden Unternehmen entwickelt. Seit 50 Jahren entwickelt Roche mittlerweile Medikamente für diverse Krebsbehandlungen. Darüber hinaus hat Roche aber noch diverse weitere Medikamente und Diagnostiken im Portfolio.


Pharmazie

Der Pharmazie-Bereich, der den Verkauf von verschreibungspflichtigen Medikamenten umfasst, ist der größere der beiden Bereiche. Er steuert 45,6 Milliarden Franken und somit 72,0% zum Gesamtumsatz bei. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet dies einen Anstieg um ca. 2%, der besonders durch Umsatzzuwächse der neueren Medikamente getrieben war. Dabei musste Roche deutliche Rückgänge des Medikaments Actemra zur Behandlung schwerer Covid-19 Fälle verkraften. Die meisten Umsätze im Jahr 2022 generierte das Medikament Ocrevus, mit welchen multiple Sklerose behandelt wird. Das Medikament brachte 6 Milliarden Franken Umsatz ein. Unter den 10 umsatzstärksten Medikamenten befinden sich alleine sechs zur Krebsbehandlung, weitere 2 in der Immunologie und eines im Bereich der Hämophilie (Bluterkrankung). Hämophilie ist eine Gruppe von erblichen Blutgerinnungsstörungen, bei denen das Blut nicht richtig gerinnen kann, weil bestimmte Gerinnungsfaktoren fehlen oder nicht richtig funktionieren.

Alle diese Medikamente generieren mehrere Milliarden Franken jährlich, sie sind also Blockbustermedikamente. So werden im Fachjargon Medikamente genannt, welche ein Umsatzvolumen von mehr als einer Milliarde Dollar jährlich generieren.

Zu den 27 Neuzulassungen, die Roche im vergangenen Jahr erfolgreich registrieren konnte, gesellen sich noch 87 Produkte in verschiedenen Entwicklungsstadien, die sich wie folgt aufteilen:

Roche Geschäftsbericht 2022

Quelle: Roche Geschäftsbericht 2022

Hierzu muss gesagt werden, dass Entwicklungsprozesse von Pharmaprodukten langwierig und kompliziert sind. Viele kleinere Unternehmen können solche Prozesse selbst mit vielversprechenden Medikamenten daher nicht allein durchstehen, da nicht ausreichend Kapital beschafft werden kann. Oft fehlen auch die Beziehungen zu den Genehmigungsbehörden (FDA in USA, EMA in Europa oder NMPA in China). Viele Unternehmen suchen sich deshalb einen Partner, wie Biontech es bei der Entwicklung ihres Impfstoffs mit Pfizer tat.

Erfolgreiche Zulassungen sowie spätere Umsätze sind daher noch nicht absehbar. Mit der großen Entwicklungspipeline steigert Roche allerdings die Chancen für die Zukunft, weiterhin zu den größten Pharmaunternehmen zu zählen. Nur die wenigsten Unternehmen können sich so viele Entwicklungen parallel leisten.


Diagnostik

Die Sparte Diagnostik besteht aus drei verschiedenen Bereichen: In-vitro Tests, Instrumente, sowie Digital Health. In-vitro Tests sind Tests, die außerhalb des menschlichen Organismus mit organischen Stoffen durchgeführt werden. Hierzu zählen Krebstests wie auch die Covid-19 Antigen-Schnelltests.

Der Bereich Instrumente liefert das zugehörige Material, nämlich die Geräte zur Durchführung der Tests. Während Covid-19 Tests mit wenigen und kleinen Materialien durchgeführt werden können, brauchen umfangreiche Bluttests oder Urinproben größere Geräte zur Analyse. Teilweise müssen die Geräte aufgrund der vielen Patienten auch dazu fähig sein, eine Vielzahl an Tests zur gleichen Zeit durchzuführen.

Der Bereich Digital Health ist für die Verarbeitung und Auswertung der Daten zuständig. Hier werden auf Basis vergangener Daten auch Behandlungsmöglichkeiten aufgezeigt.

Die Umsätze in der Sparte Diagnostik stiegen im Gesamtjahr 2022 um 3% und somit knapp stärker als in der Pharma-Sparte. Das Umsatzniveau lag in 2022 bei 17,7 Milliarden Franken. Während die Covid-19 Umsätze zurückgingen (von 4,7 auf 4,1 Milliarden Franken), stiegen vor allem die Umsätze mit Herz- und Onkologietests. Besonders zulegen konnten die Umsätze in den Zentrallabors sowie die Umsätze mit direkten Diagnosen und deren Instrumenten in bspw. Notaufnahmen oder Arztpraxen.


Roche Aktie News: Q3 2023 Geschäftszahlen

Stolz berichtet Roche bei seiner Präsentation der Zahlen zum dritten Quartal, die Umsätze wären um 1% im Vorjahresvergleich gestiegen. Dies ist allerdings nur die halbe Wahrheit: Roche berichtet das Wachstum in konstanten Wechselkursen, also unter der Annahme, die Verhältnisse der Währungen hätten sich im Jahresvergleich nicht verändert. Die Realität sieht jedoch anders aus: Euro, US-Dollar, Chinesischer Yuan sowie der Schweizer Franken unterlagen starken Schwankungen. So kommt es, dass der Umsatz von Roche tatsächlich um 6% zurückging. Zwar stieg der Umsatz im Bereich Pharma um 1% (9% in konstanten Wechselkursen), jedoch gingen die Umsätze im Bereich Diagnostics um ganze 25% zurück (18% in konstanten Wechselkursen).

Verkraften musste das Diagnostics Geschäft dabei den starken Rückgang des Covid-19 Umsatzes. Ohne diese wären die Umsätze im Bereich Pharma annähernd stabil gewesen (eine genaue Umsatzgröße ist hier nur in konstanten Wechselkursen gegeben).

Gleichzeitig wurden die Ziele bestätigt: Für das Gesamtjahr rechnet Roche mit einem leichten Umsatzrückgang sowie einem leichten Gewinnrückgang im niedrigen einstelligen Prozentbereich.


Roche Aktie Management

Die kurze Antwort: Dr. Thomas Schinecker. Schinecker ist dabei ein klassischer „Rochianer“ – seit Start seiner beruflichen Laufbahn im Jahr 2003 ist er bei Roche im Konzern tätig. Zuvor absolvierte er erfolgreich seinen Master inklusive anschließender Promotion im Bereich Molekularbiologie in New York. Vor seiner Amtsübernahme als CEO war Schinecker bereits in Diagnostics und Pharmaceuticals CEO, kennt sich also mit beiden Bereichen bestens aus. Diese Bereiche leiten nun Matt Sause (Diagnostics) und Teresa Graham (Pharma), die ebenfalls beide schon länger im Konzern in unterschiedlichen Positionen und Ländern tätig waren. Komplettiert wird der Vorstand durch Dr. Alan Hippe als CFO, der zuvor auch im Vorstand von Thyssenkrupp und Continental saß, und Cristina A. Wilbur als CPO (Personalleitung).


Roche Aktie Bewertung

Zunächst einmal muss man sagen: Roche ist hochprofitabel. Das Unternehmen hat eine Bruttomarge (Gross-Margin) von knapp 73% und eine EBIT-Marge von knapp 30% - Zahlen, die man sonst eher von Technologieunternehmen kennt. Auch im Peer Group Vergleich steht Roche gut da – gegenüber Wettbewerbern wie Bristol Meyers Squibb oder Merck behält das Unternehmen die Nase vorne. Pfizer liegt etwa gleichauf:

EBIT-Marge Vergleich Pharmaunternehmen

Quelle: EBIT-Marge Vergleich Pharmaunternehmen

Beim Blick auf die Bilanz fällt auf, dass Roche sich mit einem hohen Anteil an Fremdkapitel finanziert. Sollten die Zinsen weiterhin hoch bleiben oder gar weiter steigen, könnte die Refinanzierung in den kommenden Jahren für das Unternehmen teuer werden.

Roche Bilanz

Quelle: Roche Bilanz

Weiterhin hat Roche hohe Sachanlagen sowie Immaterielle Vermögensgegenstände. Die Sachanlagen werden nicht weiter erläutert, dürften aber aus Produktionsanlagen, Laboren etc. bestehen. Die immateriellen Vermögensgegenstände bestehen ungefähr hälftig aus Goodwill und hälftig aus weiteren Vermögensgegenständen.

Besonders das hohe Fremdkapital sollte für Aktionäre von Interesse sein. Als Dividenden-Topscorer hat Roche eine jahrelange Historie hoher Dividendenzahlungen, die in den kommenden Jahren weiter steigen sollen.

Roche Dividendenhistorie

Quelle: Roche Dividendenhistorie

Beim derzeitigen Fremdkapitalbestand sollte in den kommenden Jahren allerdings die Zinsbelastung deutlich steigen, was den Nettogewinn mindert. Für die Dividendenzahlungen von Roche ergeben sich so zwei Möglichkeiten: Die Dividenden würden in den kommenden Jahren stagnieren oder sogar sinken. Dies ist allerdings nicht wahrscheinlich, blickt man auf die Historie mit stetig steigenden Dividenden. Naheliegender ist, dass Roche die Ausschüttungsquote (Payout-Ratio) in den kommenden Jahren von knapp 60% weiter steigert. Dies kommt zwar den Aktionären zugute, jedoch bedeutet dies auch, dass Roche weniger Geld für Investitionen in innovative Medikamente oder Diagnostik-Methoden hat. Auf lange Sicht ist dies ein Nachteil gegenüber der Konkurrenz, den Aktionäre im Hinterkopf behalten sollten.

Aktuell bietet Roche jedoch eine Dividendenrendite von knapp 4%, die deutlich über dem Durchschnitt von 3,12% in den vergangenen 10 Jahren liegt.


Roche Aktie Prognose 2024

Mehr als die Hälfte der Analysten sieht in Roche nach dem Kurssturz Potenzial und bewertet die Aktie mit Kaufen. Nur 13% der Analysten raten dazu, die Aktie zu verkaufen. Das durchschnittliche Kursziel liegt dabei 28% über dem aktuellen Kurs, ein Analyst schätzt die Roche-Aktie sogar bei dem doppelten aktuellen Kurs fair bewertet.

Roche Kursziel

Quelle: Roche Kursziel


Fazit - Schlafender Riese oder dauerhafter (Kurs-)Patient?

Roche ist eines der ältesten Unternehmen und besitzt eine Menge lebenswichtiger Diagnostik-Leistungen und Medikamente. Das Unternehmen ist relevant wie eh und je und hat während Corona wieder einmal seine Innovationskraft unter Beweis gestellt. Was also spricht gegen eine Investition?

Zum einen die langfristige Aktienkursentwicklung. Das Niveau des Aktienkurses liegt genau auf dem Level von vor 10 Jahren.

Dazu ist Roche zwar auf Basis des Gewinns so niedrig bewertet wie seit 6 Jahren nicht – richtig günstig ist ein KGV von 17 bei einem im Umsatz und Gewinn schrumpfenden Unternehmen allerdings auch nicht. Dazu kommen noch mögliche höhere Zinsbelastungen in den kommenden Jahren, sowie (hoffentlich für alle Patienten) weiterhin nachlassende Nachfrage nach Covid-19 Medikamenten – beides keine guten Vorzeichen für die Gewinnentwicklung.

Sicher ist allerdings auch: Roche wird nicht verschwinden und weiter innovativ bleiben. Dies zeigt alleine die Pipeline aus mehr als 80 Medikamenten in der Entwicklung. Bei einem oder mehreren Durchbrüchen in der Kategorie Blockbuster Medikament können sich die Aussichten auch schnell wieder signifikant verbessern. Und bis dahin heißt es: Ruhig bleiben und Dividenden kassieren.



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Der Autor und/oder mit dem aktien.guide verbundene Personen oder Unternehmen besitzen oder können Anteile von Roche besitzen. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

Autor: Lukas Langer

Lukas Langer hat einen Masterabschluss im Wirtschaftsingenieurwesen. Er hat bereits während des Studiums praktische Erfahrung in einem DAX-Konzern und in der Unternehmensberatung gesammelt. Als begeisterter Privatanleger ist es sein Ziel, Anleger & Anlegerinnen dabei zu unterstützen, mit dem aktien.guide bessere Investmententscheidungen zu treffen.