Arco Platform Aktie: E-Learning in Brasilien

16.12.2020 | Frank Seehawer

Arco Platform Aktie: E-Learning in Brasilien

Eines der großen Defizite unserer zunehmend digitalisierten Gesellschaft zeigt sich derzeit im E-Learning. Bereits im Frühjahr konnten wir während des ersten Corona-Lockdowns gut erkennen, wie wenig digitalisiert der Bildungssektor noch immer ist. Dieses Bild trifft nicht nur auf Deutschland zu, sondern auch auf viele weitere Industrieländer. Auffallend ist jedoch, dass dieses Defizit mehr und mehr beseitigt werden soll. Und das kann man vor allem an den starken Wachstumsraten der wenigen börsennotierten E-Learning Unternehmen erkennen.

Heute möchten wir mit Arco Platform Aktie (ISIN: KYG045531061) eine weitere Aktie mit Fokussierung auf den Bildungssektor vorstellen. Bereits in unserer NetEase Analyse konnten wir einen chinesischen Konzern aufzeigen, der über ein kleines aber stark wachsendes E-Learning-Geschäft verfügt.

Konkret handelt sich um den brasilianischen Marktführer im Bereich E-Learning. Arco betreibt eine Plattform, die mittlerweile über 1,3 Millionen Lernende und mehr als 5.400 Partnerschulen nutzen. Das Wachstum ist beeindruckend hoch, wurde jedoch mit Übernahmen erkauft. Ob die Aktie, deren Bewertungskriterien durchaus gut aussehen, dennoch ein Kauf sein kann, das möchten wir mit der nachfolgenden Analyse einmal genauer prüfen.


Unternehmensprofil – Bildungsplattform in Brasilien

Arco Plattform ist ein brasilianisches Technologieunternehmen mit Fokus auf den Bildungssektor. Mit seiner Plattform betreibt es ein B2B2C Geschäftsmodell, bei dem zuerst die großen Bildungsträger (Schulen oder Universitäten) von der Plattform überzeugt werden, um anschließend die Endkunden (Studenten, Schüler oder Eltern) zu erreichen.

Das Unternehmen ist bislang ausschließlich in Brasilien tätig und zählt mittlerweile über 1,3 Millionen Lernende und mehr als 5.400 Partnerschulen zu seinen Kunden.

Als Marktführer in Brasilien sieht sich Arco einem großen Marktpotenzial gegenüber. Dieser beläuft sich nach Unternehmensangaben auf 18,7 Milliarden brasilianische Real (BRL). Hinzukommen weitere 6,5 Milliarden BRL für K-12 Privatschulen sowie Lernsysteme und Textbücher in Brasilien. Zusammen könnte das Marktpotenzial somit bei 25 Milliarden BRL gesehen werden, was umgerechnet fünf Milliarden US-Dollar entspricht. Nach eigenen Angaben besitzt Arco dabei gerade erst einen Marktanteil von 4 Prozent.

Dass die Nachfrage nach digitalen Bildungslösungen hoch ist, zeigt schon das vergangene Geschäftsjahr 2019. In diesem konnte der Umsatz von 381 Millionen BRL um 50,4 Prozent auf 573 Millionen BRL gesteigert werden.

Das operative Ergebnis fiel mit 58,1 Millionen BRL deutlich positiv aus, es lag jedoch um 6,4 Prozent unter dem Vergleichswert des Vorjahres von 62,1 Millionen BRL. Deutlich gestiegene Ausgaben für Verkaufsaktivitäten sowie höhere administrative Ausgaben führten zu dem rückläufigen Ergebnis.

Einen positiven Effekt auf das Wachstum hatte die im Mai 2019 verkündete Übernahme von Positivo Soluções Didáticas, einem führenden K-12 Bildungsanbieter für Privatschulen in Brasilien. Über 1,6 Milliarden BRL wurden für das Unternehmen auf den Tisch gelegt. Mit der Übernahme verdoppelte Arco die Anzahl der Lernenden auf seiner Plattform schlagartig.

Eine weitere Übernahme wurde im August 2020 mit Escola da Inteligência verkündet. Diese Transaktion soll einen Wert von einer Milliarde BRL haben und das Wachstum weiter forcieren. Escola soll mit 400.000 Lernenden und 1.200 Partnerschulen einen Umsatz im laufenden Jahr von rund 300 Millionen BRL generieren.


Die letzten Quartalszahlen und der Ausblick der Acro Platform

Aufgrund der Akquisitionen sowie der gestiegenen Nachfrage nach Bildungstechnologie durch die Covid-19 Krise erscheint wenig verwunderlich, dass Arco ein phänomenales Wachstum im laufenden Jahr 2020 hingelegt hat.

So erhöhte sich der Umsatz in den ersten neun Monaten des Jahres 2020 um 117 Prozent auf 705 BRL. Das Plus belief sich im dritten Quartal 2020 sogar auf 196 Prozent im Vergleich zum Vorjahreswert.

Und auch das operative Ergebnis konnte deutlich zulegen, auch wenn es im dritten Quartal 2020 wieder negativ war. In den ersten neun Monaten des Jahres 2020 wurde ein operatives Ergebnis von 80,7 Millionen BRL ausgewiesen.

Die Prognose für das Gesamtjahr sieht eine bereinigte EBITDA-Marge in einer Spanne zwischen 35,5 und 37,5 Prozent vor. Mit den Zahlen des dritten Quartals 2020 wurde dieser Ausblick noch einmal bestätigt.

Weiter wurde ein Ausblick auf den Annual Contract Value (ACV) des Folgejahres gegeben. Hierbei handelt es sich um eine für Arco wesentliche Kennzahl, die die Geschäftsaktivität widerspiegelt. Sie erfasst den jährlichen monetären Vertragswert der Leistungen und entspricht weitestgehend dem Umsatz. Er soll im Geschäftsjahr 2021 zwischen 20 und 25 Prozent zulegen, was zu einem Umsatz zwischen 1,15 und 1,2 Milliarden BRL führen soll.


Aktienkursentwicklung und wichtige Kennzahlen aus der High-Growth-Investing-Analyse

Wichtige Kennzahlen aus der High-Growth-Investing-Analyse sind das Umsatzwachstum, der Verschuldungsgrad sowie die Rule-of-40. In allen drei Kategorien gab es die maximale Punktzahl von drei Punkten. Jeweils zwei Punkte gab es zusätzlich für den Wert der Gross Margin sowie dem des PEG-Ratios. Abschließend konnte noch ein Punkt bei der Bewertungskennzahl EV/Sales generiert werden.

Arco Platform Aktienkursentwicklung


Insgesamt beläuft sich der HGI-Score damit auf 14 Punkte, was die Aktie zu einem aktuellen Topscorer der High-Growth-Investing Strategie macht.


Arco Platform wichtige Kennzahlen aus der High-Growth-Investing-Analyse


Bewertung der Arco Platform Aktie

Bei der Bewertung der Arco Plattform Aktie fällt auf, dass die Aktie mit einem Verhältnis des Enterprise Value (EV) zum Umsatz von aktuell zehn bewertet wird. Der Wert ist für ein Wachstumsunternehmen nicht gerade günstig, jedoch auch noch nicht überteuert. Gemäß den Kriterien der Strategie gab es daher noch einen Punkt.

Setzt man die Bewertung in Relation zum Wachstum, so sieht die Aktie ein wenig attraktiver aus. Konkret errechnet sich ein Price/Earnings-to-Growth (PEG) von 1,6. Gemäß den Kriterien Strategie gab es für diesen Wert gleich zwei Punkte.

Einen Beigeschmack hat das zuletzt starke Umsatzwachstum der letzten zwölf Monate von 74 Prozent aber: Es ist durch zwei große Übernahmen maßgeblich verzerrt. Erwartet wird zukünftig gemäß dem ACV-Wachstum nur noch ein Wachstum zwischen 20 und 25 Prozent, was in den nächsten Quartalen zu einem massiven Punkteverlust in der HGI-Strategie führen dürfte.

So sollte es beim Umsatzwachstum nur noch einen Punkt geben. Bei der Rule-of-40 sowie dem PEG-Ratio würde es sogar zukünftig gar keine Punkte mehr geben. Damit könnte abschließend aus einem Topscorer bald eine Aktie mit einem nur noch mittelmäßigen Punktestand von sechs Punkten werden – vorausgesetzt, Arco legt nicht mehr beim Wachstum nach.


Fazit zur Arco Platform Aktie

Arco Plattform zeichnet sich aktuell durch ein unglaublich hohes Wachstum aus. Dieses wurde leider mit zwei bedeutenden Übernahmen erkauft, welche das Nutzerwachstum auf der Plattform massiv gesteigert haben.

Prinzipiell ist der Bereich E-Learning ein Zukunftsmarkt, der auch durch die Corona-Pandemie eine neue Bedeutung bekommen hat. Derzeit gibt es am Kapitalmarkt nur relativ wenige Unternehmen, die sich auf diesen Bereich spezialisiert haben. Arco ist eine von Ihnen.

Leider ist das Unternehmen nicht in den USA oder weiteren westlichen Ländern der Welt aktiv, was die Aktie zu einem spekulativen Emerging Marktes Wachstumswert macht.

Grundsätzlich haben Aktien aus Südamerika ein erhöhtes Risiko, denn die entsprechenden Währungen unterliegen häufig einem Abwertungsdruck. Selbst wenn die Aktie gut läuft, so könnte eine starke Währungsabwertung – wie sie in der Vergangenheit sehr häufig beim Real passierte – einen Teil der Gewinne aufzehren.

Die High-Growth-Investing-Analyse ergab zudem, dass der aktuelle Score zwar hoch ist, mittelfristig jedoch deutlich sinken könnte. Das Hauptargument liefert hier das zukünftige Wachstum, welches sich ohne Übernahmen deutlich abschwächen sollte.

Aus Sicht der HGI-Strategie wäre die Aktie derzeit aufgrund der sich darstellenden Risiken sowie dem zum Großteil erkauften Wachstum kein kaufenswerter Wachstumswert.

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Autor: Frank Seehawer

Frank Seehawer ist mehrere Jahre als Investor Relations Manager und Wertpapieranalyst tätig gewesen. Als graduierter Ökonom beschäftigt er sich schon seit über 20 Jahren mit den Aktienmärkten im In- und Ausland. Sein Fachwissen über Aktien teilt er als freier Autor unter anderem mit den Lesern der deutschen Ausgabe von Motley Fool.